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Gukeshs Mattfinale, Abdusattorovs doppeltes Figurenopfer (Bericht Runde 2)

February 17, 2023

Gukesh und Nodirbek Abdusattorov haben mit Siegen in der zweiten Runde des WR Chess Masters zu den Tabellenführern aufgeschlossen. Mit Wesley So und Levon Aronian bilden die beiden Youngster das Quartett, das mit 1,5 Punkten aus 2 Partien an der Tabellenspitze steht.

WR Chess Masters – Runde 2
Eine "fantastische Partie" hatte Yasser Seirawan zwischen Nodirbek Abdusattorov und Andrey Esipenko gesehen. Die Analyse dieser beiden ließ sich Seirawan nicht entgehen. | Foto: Lennart Ootes

Gukesh lieferte sich ein verbissenes, mit offenem Visier geführtes Gefecht im indischen Duell gegen Praggnanandhaa, dem unter Zeitdruck ein Fehler unterlief. Gukesh zauberte ein sehenswertes Mattfinale aufs Brett, das sich sein Landsmann nicht bis zum Ende zeigen ließ. Praggnanandhaa ziert jetzt mit 0/2 allein das Tabellenende – eine Momentaufnahme.


WR Chess Masters 2023 – Runde 2
Ein erbitterter, offener Kampf zwischen den beiden Indern Gukesh (l.) und Praggnanandhaa. | Foto: Lennart Ootes

Nicht weniger als „eine fantastische Partie“ (Yasser Seirawan) zeigte Nodirbek Abdusattorov gegen Andrey Esipenko, der am Vortag für seinen vollen Punkt gegen Vincent Keymer länger als sieben Stunden hatte schuften müssen. Am Freitag erwischte ihn nach gut einer Stunde ein doppeltes Figurenopfer Abdusattorovs, der dafür fast unwiderstehlichen Angriff bekam.

Drei Partien endeten remis, darunter die eher ereignisarme Begegnung zwischen Anish Giri und Wesley So, der dem Niederländer in einem fast symmetrischen Endspiel das Läuferpaar überließ – und nachwies, dass es in dieser Konstellation keinen Mehrwert bedeutet.

Jan-Krzysztof Duda schien gegen Ian Nepomniachtchis russische Verteidigung eine gewisse Initiative herausgespielt zu haben, doch fand Schwarz ausreichend Gegenspiel, um die Angelegenheit verflachen zu lassen. Ähnlich sah es zwischen Vincent Keymer und Levon Aronian aus. Was anfangs wirkte, wie ein bedrohlich heraufziehender Königsangriff, reichte bei weitem nicht aus, um die schwarze Bastion zu erschüttern.

Nodirbek Abdusattorov – Andrey Esipenko 1:0

Nach der Partie löste Nodirbek Abdusattorov im Interview mit Elisabeth Pähtz ein Mysterium des Vortages auf: Hatte er in seinem Wolga-Gambit nicht nach sieben Zügen gegen Ian Nepomniachtchi quasi auf Verlust gestanden? "Doch", räumte der Usbeke ein, er habe eine Zugfolge aus seiner Vorbereitung verwechselt, was zu 7…Le7? führte. Das hätte ein verhängnisvoller Fehler sein können. Sein Glück: "Ian hat darauf vertraut, dass ich weiß, was ich tue."

Hätte Andrey Esipenko am Vortag nicht länger als sieben Stunden gespielt, vielleicht hätte er Zeit gefunden, sich mit seinem Gegner Vincent Keymer über die topaktuelle Nimzo-Indisch-Variante auszutauschen, die am Freitag zwischen Abdusattorov und Esipenko auf dem Brett stand. Keymer verbindet damit intensive Erinnerungen an seine Premiere in der deutschen Nationalmannschaft im November 2021. Seinerzeit pfefferte er einen Springer in die Rochadestellung seines Gegners Jonas Buhl Bjerre – nur um festzustellen, dass der Däne darauf vorbereitet war.

Genau dieses Opfer und einige damit verbundene Feinheiten zeigte Abdusattorov nach der Partie im Live-Stream, ein Anschauungsbeispiel, was gegen die beiden unterverteidigten schwarzen Achillesfersen f7 und h7 in der Luft liegt.

Der Einschlag 15.Lxh7! sollte ein besonders günstiger Einschlag in einem dieser Schwachpunkte sein, gefolgt von Eroberung der zweiten mittels 16. Dh5+.

14…Sxd2 sei ein Fehler gewesen, erklärte Abdusattorov, ein verständlicher allerdings: Es sei schon schwierig gewesen, einen guten Zug zu finden, und die genauen Folgen des doppelten Figurenopfers (Weiß beabsichtigt nicht, den Springer auf d2 zu schlagen) kaum zu berechnen.

Im Verlauf des für Normalsterbliche kaum zu durchschauenden Gefechts sollte sich Esipenko eine Chance auf Rettung bieten:

Stellung nach 21.Tf1Stellung nach 21.Tf1

21…De8 hätte die schwarzen Überlebenschancen intakt gehalten. Esipenko spielte stattdessen das natürlich aussehende 21…Dg5, das zum Verlust führt – wenn Weiß sieht, wie es weitergeht. Wie schwierig das ist, demonstrierte auf Twitter der Großmeister, Autor und Schachcoach Jacob Aagaard, indem er zwei auszuführende Züge vorgab und fragte, welches nun der richtige 24. Zug sei.

Stellung nach 23…cxd4. Weiß zieht und gewinnt – wie?Stellung nach 23…cxd4. Weiß zieht und gewinnt – wie?

Was Aagaard als beste Folge demonstrierte, hatten die beiden Hochbegabten am Brett genauso berechnet und gezogen. Nun ist im 24. Zug der Clou, dass eben nicht das verlockende 24.Th3 die Partie eintütet, sondern nur 24.Df7!

Auch das zog Abdusattorov, und Esipenko gingen bald die Ideen aus, wie sich Weiß noch Probleme stellen lassen könnten.

Mit diesem Sieg rückt Abdusattorov, gerade erst in die Top 20 der Welt eingebrochen, in die Nähe der Top 10 vor. In der Live-Liste steht er jetzt auf Rang 14.

Vincent Keymer – Levon Aronian ½-½

In welchem Maße Spieler aus der 2700-Klasse vorbereitet sind, deutete Vincent Keymer nach seiner Partie gegen Levon Aronian an. Schon im fünften Zug hatte er mit der Quasi-Neuerung 5.Lxc6 nebst 6.f4 ausgetretene Pfade verlassen. "Man muss ja in jeder Partie irgendetwas versuchen." Aber Keymer stellte fest: "Levon kannte einen der Ausgleichswege."

Stellung nach 5.Lxc6Stellung nach 5.Lxc6

Strukturell sah es zwischenzeitlich gut für Weiß aus, "Potenzial war da", aber es gelang Keymer gegen Aronians präzises Spiel nicht, das Potenzial in Greifbares zu verwandeln.

Der 18-Jährige liebäugelt trotzdem damit, nach seiner Null zum Auftakt möglichst bald einen vollen Punkt einzufahren. Das allerdings erfordert bei veritablen Gegnern wie denen in Düsseldorf einen Balanceakt: Das Schicksal auf übertriebene Weise herauszufordern, könne "sehr leicht zu weiteren Niederlagen" führen.

Jan-Krzysztof Duda – Ian Nepomniachtchi ½-½

Sechs Wochen noch, dann spielt Ian Nepomniachtchi ein WM-Match. Am Freitag in Düsseldorf dürften bei ihm Erinnerungen an sein WM-Match Ende 2021 gegen Magnus Carlsen aufgekommen sein. 13 Züge lange folgten Duda und Nepo der 13. Matchpartie, dann wich der Pole ab.

Caption: Stellung nach 16…Le7Caption: Stellung nach 16…Le7

Yasser Seirawan zelebrierte im Live-Stream seine Erklärung, worum es hier geht für Weiß: Druck gegen d5. Darum sollte Weiß die weißfeldrigen Läufer eliminieren (was Duda sogleich mit 17.Txe7 nebst 18.La3 tat), um mittelfristig einen Turm auf e5 einpflanzen zu können. Der Sh4 habe derweil die Aufgabe, via g2 nach e3 oder f4 zu springen, um von dort aus d5 aufs Korn zu nehmen.

Das Problem an der Sache: Beim Schach wird abwechselnd gezogen. Im Wissen um die Aufstellung, die Weiß anstrebt, gelang es Nepomniachtchi, das weiße Spiel zu neutralisieren.

27…b4!27…b4!

Das präzise 27…b4 machte im höheren Sinne schon den Deckel drauf: Schwarz hat auf aktive Weise vollständig ausgeglichen. Bald entstand ein Damenendspiel, das Duda per Dauerschach friedlich enden ließ.

Anish Giri – Wesley So ½-½

Es war schnell viel Material vom Brett gegangen, aber, immerhin: Läuferpaar. Damit zu arbeiten und ein wenig Druck zu entwickeln, dürfte Anish Giris Vorhaben für diese Partie gewesen sein. Und er hatte dem stets soliden US-Großmeister durchaus die eine oder andere Hürde in den Weg gestellt.

Stellung nach 12.c6Stellung nach 12.c6

Nimmt Schwarz den Bauern auf c6, ist er schon gestrauchelt. Das dann entstehende Endspiel ist vielleicht haltbar, aber vor allem beinhaltet es eine Garantie für Weiß, risikolos um den vollen Punkt kämpfen zu können.

Wesley So fand den besten Zug: 12…Se5! Nimmt Weiß nun seinerseits auf b7, bekommt Schwarz starke Kompensation für den Minusbauern. Und nimmt er nicht, schlägt der schwarze Springer auf c6, und die schwarze Struktur bleibt intakt.

Nach 12…Se5 war für Weiß nicht mehr viel zu holen. Im 29. Zug einigten sich die Kontrahenten auf Remis.

Gukesh vs. Praggnanandhaa 1:0

Neben Abdusattorov-Esipenko die zweite Partie des Tages, ein sehenswertes Gefecht, gespannt verfolgt von der bei ChessBase India versammelten indischen Schachszene. Wie sehr es Spitz auf Knopf stand, lässt sich zum Beispiel an dieser Stellung nach 21…Lxh2!? ablesen:

Die Engine insistiert, dass das überraschende Damenopfer 22.Sxh2 zu deutlichem weißem Vorteil führt. Gukesh entschied sich für 22.Kh1.Die Engine insistiert, dass das überraschende Damenopfer 22.Sxh2 zu deutlichem weißem Vorteil führt. Gukesh entschied sich für 22.Kh1.

Die schwarze Versammlung auf der h-Linie sieht imposant aus, und in Sachen Königssicherheit liegt Schwarz klar vorne. Andererseits gehört Weiß das Zentrum, ein Durchzählen offenbart ein Plus von zwei Bauern, und beim schnellen Draufgucken fällt der Blick sogleich auf das imposante Pferd auf d5.

Entscheidend war ein Fehler Praggnanandhaas im 30. Zug, den ChessBase India sogleich in eine Twitter-Taktikaufgabe verwandelte:

31.Se7+! Dxe7 32.f6 nebst Matt in zehn gewinnt die Partie.

Video zu Runde 2:

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