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Spitzenreiter!

August 26, 2023

Würde in Düsseldorf die bestgekleidete Mannschaft gekürt, die Rapid-Team-WM wäre schon vor der ersten Runde entschieden gewesen. Aber Schach ist keine Modenschau. Und kein Spaziergang. Das mussten die Frauen und Männer in den feinen Anzügen des Teams "WR Chess" gleich in der ersten Runde feststellen. 4,5:1,5 hatten sie gewonnen, souverän und deutlich eigentlich, aber das reichte erstmal nur zu Rang 14 in der ersten Zwischenabrechnung. Einen der bestbesetzten Wettbewerbe auf deutschem Boden jemals zu gewinnen, wird nicht einfach.

Rapid-Team-WM 2023
Sehen gut aus, spielen noch besser? Team WR Chess beim Fotoshooting am Tag vor dem WM-Auftakt. | Foto: Lennart Ootes/WR Chess

Den Grundstein zum ersehnten Gewinn der Weltmeisterschaft und dem "Rainer-Niermann-Pokal" hat das Team jedoch gelegt. Nach den ersten vier Spieltagen stehen vier Siege zu Buche und die Tabellenführung noch dazu.

Der erste Tag unseres Teams:

Runde 1

WR Chess vs. FIDE Management Board 4,5:1,5

Wenn eine hochrangige Politikerin gegen eine Weltmeisterin Schach spielt, dann handelt es sich in aller Regel um einen freundschaftlichen Schaukampf, nicht um sportlichen Wettbewerb. Und natürlich kommen für solche Paarungen nur zwei Ergebnisse infrage: Entweder die Weltmeisterin gewinnt, oder sie gewährt der Politikerin ein Freundschaftsremis.

Einmal in der Schachgeschichte hatte eine solche Begegnung Wettkampfcharakter: bei der Schacholympiade 2016 in Baku, als die lettische Nationalmannschaft der Frauen auf die chinesische traf. Am ersten Brett für China spielte die amtierende Weltmeisterin, am ersten Brett für Lettland die amtierende Finanzministerin des baltischen Lands – und gewann!

Sieben Jahre später bei der "FIDE World Rapid Team Championship" in Düsseldorf bekam Hou Yifan, mittlerweile Exweltmeisterin, Gelegenheit zur Revanche gegen Dana Reizniece-Ozola, mittlerweile FIDE-Geschäftsführerin. Im Auftaktmatch des WR-Chess-Teams gegen das FIDE-Management-Board trafen die beiden wieder aufeinander.

Rapid-Team-WM 2023
Revanche sieben Jahre später: Hou Yifan gegen Dana Reizniece-Ozola. | Foto: Lennart Ootes/WR Chess

Diesmal setzte sich die Chinesin durch. Reizniece-Ozola stand aus der Eröffnung heraus mit dem Rücken zur Wand. Im Lauf einer einseitigen Partie sollte sie sich nicht mehr befreien können. Für das WR-Team bildete Hous Sieg die Grundlage für einen ungefährdeten 4,5:1,5-Auftaktsieg über die Chefetage des Weltverbands.

Neben Hou siegten Vincent Keymer und Ian Nepomniachtchi ungefährdet. Auch Wesley So gewann, musste aber am ersten Brett gegen Viktor Bologan hart arbeiten, bevor er ein schwieriges Endspiel zu seinen Gunsten zu wenden vermochte.

Einen halben Punkt steuerte Nodirbek Abdusattorov bei. In der Annahme, Nigel Short habe sich in ein Dauerschach gerettet, gab der Usbeke die Partie remis.

Stockfish war nicht einverstanden: "Matt in 30" sagt die Maschine zur Schlussstellung.

Runde 2

WR Chess vs. Six-Pack 4:2

Six-Pack? Ob das andeuten soll, in welch blendender körperlicher Verfassung sich dieses Team aus Indien befindet? Aber die Bauchmuskulatur auf Seiten des indischen Sechserpacks mag noch so definiert sein, beim Schach gegen die Gastgeber half das wenig. Die Muskeln in den sechs WR-Köpfen funktionierten auch in der zweiten Runde besser als die ihrer Gegenüber.

Allerdings drohte nach einer zwischenzeitlichen 2:0-Führung eine Zitterpartie. Vincent Keymer hatte es ja vorhergesagt: "Das Feld ist so stark, ab der der zweiten Runde wird es schwierig."

Nodirbek Abdusattorov eröffnete den Reigen mit einer feinen positionellen Leistung. Für 32 Züge Spiel auf ein Tor verbrauchte er kaum mehr als drei Minuten Bedenkzeit, dann stand es 1:0. Wenig später legte Ian Nepomniachtchi nach. Am Ende einer ebenfalls eher technischen Partie stellte der Vizeweltmeister seinen Gegner vor die missliche Wahl, entweder in einem verlorenen Endspiel zu landen oder in einem überwältigenden Königsangriff.

Wenn es doch 2:0 steht, kann es ja nicht so schlimm sein, dass Janek Duda (den Coach Jan Gustafsson für Keymer ins Team rotiert hatte) gegen Pranesh (der 79. GM Indiens!) nicht mehr als ein Remis holt – dachten unbedarfte Beobachter. Dann entglitt Wesley So am Spitzenbrett das Endspiel, und beim Stande von 2,5:1,5 hing es am seidenen Faden, den Alexandra Kosteniuk am Frauen- und Wadim Rosenstein am U2000-Brett nicht reißen lassen durften.

64.Kc5! – und der d-Bauer läuft.64.Kc5! – und der d-Bauer läuft.

Kosteniuk hatte mit Schwarz gegen die mehrfache indische Jugendmeisterin Nutakka Priyanka bequem ausgeglichen, aber zu keinem Zeitpunkt mehr als das. Am Ende stand ein Springerendspiel auf dem Brett, in dem die Punkteiteilung unvermeidlich war.

Beim Stand von 3:2 lag es an Wadim Rosenstein, der sein Endspiel mit Mehrqualität, aber zwei Minusbauern nicht verlieren durfte, um den Mannschaftssieg sicherzustellen. Unter Zeitdruck gelang es ihm, seinen letzten, entscheidenden Trumpf auszuspielen: den Freibauern auf der d-Linie. Dieser eine Bauer, den Weiß noch hatte, erwies sich als stärker als die drei schwarzen Gegenüber.

Rapid-Team-WM 2023
Matchwinner und Teamchef Wadim Rosenstein. | Foto: Lennart Ootes/WR Chess

Runde 3

WR Chess vs. Ashdod Elite Club 5,5:0,5

"Ich freue mich darauf, mit Freunden in einem Team zu spielen, und ich werde mein Bestes geben, um die anderen nicht hängen zu lassen", hatte Ian Nepomniachtchi vor dem Turnier gesagt. Bislang hat er Wort gehalten.

Keymer kreativ: 16…Kd7!?Keymer kreativ: 16…Kd7!?

Speziell Nepos Sieg zum 2:0-Zwischenstand gegen Ashdod war wichtig fürs Team. Nachdem Vincent Keymer mit kreativem Spiel die Führung sichergestellt hatte, zeichnete sich ab, dass Nodirbek Abdusattorov in seinem Damenendspiel am ersten Brett in Schwierigkeiten gerät, während Jan-Krzysztofs Vorteil sich zu verflüchtigen drohte und die anderen Partien offen waren. Umso wichtiger das 2:0-Polster.

Rapid-Team-WM 2023
Sauber, Junge!: Coach Jan Gustafsson gratuliert Vincent Keymer. | Foto: Lennart Ootes/WR Chess

Es wurde dann doch ein bequemer, unerwartet deutlicher Sieg. Im Prestigeduell zwischen Exweltmeisterin Hou Yifan und Weltklassegroßmeisterin Mariya Muzychuk gewann die Chinesin ein Damenendspiel, das ungewinnbar aussah. Auch Duda fand nach seinem zwischenzeitlichen Wackler zurück auf die Gewinnspur. Und Abdusattorov hielt – 4,5:0,5.

Wadim Rosenstein fand sich in der komfortablen Situation wieder, mit einem Mehrbauern auf dem Brett und vier Mehrminuten auf der Uhr ohne Ergebnisdruck sein Turmendspiel kneten zu können. Das tat er genüsslich, ohne nachzulassen. Nach 95 Zügen kam zum einen Mehrbauern der zweite, und nach 126 Zügen zu den 4,5 Punkten ein weiterer.

Kantersieg! Spitzenreiter!

Runde 4

WR Chess vs. Columbus Energy Kings of Chess Krakow 5:1

Zu viert mit 6:0 Punkten an der Tabellenspitze. Trotzdem werden die Duelle gegen die ganz dicken Brocken "MGD1" (Erigaisi, Nihal Sarin, Harikrishna...) oder "Freedom" (Rapport, Anand, Dubov...) noch einen Tag warten müssen. Stattdessen ging es gegen die polnische Überraschungsmannschaft "Columbus Energy Kings of Chess Krakow" – der keine weitere Überraschung gelingen sollte.

Rapid-Team-WM – Alexandra Kosteniuk
1,5/2 am ersten Turniertag: Alexandra Kosteniuk. | Foto: Lennart Ootes/WR Chess

10…e6, oje. Gegen Ian Nepomniachtchi so aus der Eröffnung zu kommen, kann nicht gutgehen.10…e6, oje. Gegen Ian Nepomniachtchi so aus der Eröffnung zu kommen, kann nicht gutgehen.

"Chessqueen" Alexandra Kosteniuk stand mit Schwarz schon nach zehn Zügen auf Gewinn, Ian Nepomniachtchi im höheren Sinne auch. Trotzdem deutete sich an, dass es knapp werden könnte, als sich plötzlich Vincent Keymers Dame am gegnerischen Königsflügel verlief und die Partie verloren ging.

Sollten beim Coach oder im Team zwischenzeitlich Sorgen aufgekommen sein, sie waren unbegründet. Keymers Niederlage folgten drei Siege von Wadim Rosenstein, Jan-Krzysztof Duda und Wesely So zum 5:1-Matchgewinn. Team "WR Chess" beendet den ersten Turniertag als Spitzenreiter.

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