Levon Aronian hat das WR Chess Masters gewonnen. Nachdem am Ende der regulären Distanz von neun Runden Aronian, Gukesh und Ian Nepomniachtchi punktgleich mit jeweils 5,5/9 geführt hatten, siegte Aronian vorzeitig im Tiebreak. Er sei sehr glücklich über den Sieg, sagte Aronian. Bei Gastgeber Wadim Rosenstein bedankte er sich für ein exzellent organisiertes Turnier und die außergewöhnlich guten Bedingungen in Düsseldorf, wo er jeden Tag "den Respekt vor den Spielern gespürt" habe.
Die erste und letzte beendete Partie der neunten Runde vorherzusagen, war nicht allzu schwierig. In ihrer Turnierpartie, dem vermeintlichen Showdown, waren die beiden Co-Tabellenführer Levon Aronian und Gukesh nicht auf einen Kampf bis aufs Blut aus gewesen. In einer bekannten Variante des Ragosin-Damengambits steuerten beide Kontrahenten schnurstracks eine Zugwiederholung an, die schon manche Großmeister angewandt haben, um schleunigst die Punkte zu teilen.
Die Entscheidung um den Turniersieg und darum, wer den ersten Preis von 40.000 Euro und den Pokal gewinnt, hatten die beiden damit in den Tiebreak verschoben – und riskiert, dass ihnen Ian Nepomniachtchi diesen Preis streitig machen würde. Aber bevor Nepomniachtchi die Chance dafür bekam, musste er gegen Vincent Keymer gewinnen. Der WM-Finalist brauchte einen vollen Punkt, um zu Gukesh und Aronian aufzuschließen.
Während alle anderen Partien des Tages nach und nach versandeten, musste Vincent Keymer einmal mehr eine Sechs-Stunden-Schicht einlegen. Auf der anderen Seite des Brettes ließ Nepo nicht locker, suchte auch bei reduziertem Material nach Gelegenheiten, die Sache zu verschärfen. Fünf Stunden lang hielt Keymer die Stellung im Gleichgewicht, dann ließ er vorschnell seinen Freibauern laufen, und es war aus: Auf dem anderen Flügel sollte sich Nepomniachtchis Spiel gegen den weißen König als entscheidend erweisen, während Keymers Freibauern das Erreichen der Grundlinie verwehrt blieb. Nepomniachtchi hatte es geschafft, Aronian und Gukesh auf der Zielgeraden abzufangen.
Drei Spieler punktgleich an der Tabellenspitze – eine Seltenheit, aber das kommt vor. Levon Aronian hat Erfahrung damit: 2018 beim Sinquefield Cup in Saint Louis standen am Ende er, Magnus Carlsen und Fabiano Caruana punkt- und wertungsgleich an der Spitze. Dort war eine Losentscheidung vorgesehen – und die Spieler verhandelten sie kurzfristig weg. Lieber teilten sie sich den ersten Platz. Solche Verhandlungen waren in Düsseldorf nicht geplant, und sie kamen auch gar nicht erst auf. Das Reglement für den Fall eines Gleichstands an der Tabellenspitze war eindeutig.
Nepomniachtchi musste sich nach seinem schwer erkämpften Sieg über Keymer trotzdem erst einmal bei Hauptschiedsrichter Gregor Johann erkundigen, wie es nun weitergeht. "Ein Rundenturnier, doppelrundig, 10+2", bekam er zur Antwort. Nach einer 82-zügigen und mehr als 6-stündigen Turnierpartie sollte ihm nun noch ein potenziell mehr als fünfstundiges Stechen gegen zwei ausgeruhte Widersacher bevorstehen.
Nachdem Aronian die erste Tiebreak-Partie gegen Gukesh gewonnen hatte, legte er in der zweiten gegen Nepo noch einen Sieg nach. Nepomniachtchi schien sich schöne Angriffschancen herausgespielt zu haben, hatte aber strukturelle Zugeständnisse gemacht. Und die wogen schwerer.
Danach musste Nepomniachtchi gleich wieder ran, gegen Gukesh diesmal, und es war schon eine entscheidende Partie. Nur der Sieger würde noch eine Chance haben, Levon Aronian den Gewinn des Tiebreak-Turniers streitig zu machen. Es ging hin und her, beide hatten Chancen, und am Ende einer offenen Partie setzte sich der Inder durch. Damit hatte er sich eine Must-Win-Partie gegen Aronian erkämpft: jetzt noch ein Sieg, und der jüngste Teilnehmer wäre dem ältesten wieder auf den Fersen.
Es ließ sich gut an für Gukesh, der Aronian erst die Struktur zertrümmerte, dann manche Bauernschwäche aufs Korn nahm und zwischenzeitlich mit zwei Mehrbauern auf die Siegerstraße eingebogen zu sein schien. Doch Aronian ließ nicht nach, kreierte kontinuierlich Probleme, und Gukesh gelang es nicht, seinen großen Vorteil in entscheidenden zu verwandeln. Am Ende drehte sich die Partie gänzlich.
Nach diesen drei vollen Punkten in Folge war Aronian der Turniersieg nicht mehr zu nehmen. Die letzten beiden Partien des Tiebreaks wurden nicht mehr gespielt.
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Video zu Runde 9: