Im spannenden Finale des WR Chess Masters Cup 2024 in London setzte sich Arjun Erigaisi gegen Maxime Vachier-Lagrave durch. Nach zwei ausgekämpften klassischen Partien, die remis endeten, entschied ein dramatisches Armageddon das Turnier. Neben Titel und Preisgeld sicherte sich der Inder wertvolle 24,13 Punkte für den “FIDE Circuit”, über den die Qualifikation für das Kandidatenturnier 2026 möglich ist. Dank des Triumphs bei einem der weltweit bestbesetzten Turniere des Jahres führt Erigaisi die FIDE-Wertung jetzt an.
Der WR Chess Masters Cup vom 14. bis 18. Oktober 2024 im Londoner Langham-Hotel war ein weiteres hochkarätiges WR-Turnier mit einem erlesenen Feld, in dem aktuelle Weltklassespieler, die beiden Exweltmeister Viswanathan Anand und Veselin Topalov, Exweltmeisterin Alexandra Kosteniuk und einige außergewöhnliche Talente aufeinandertrafen.
Zum besonderen Feld, das Organisator Wadim Rosenstein komponiert hatte, kam der besondere, fordernde Modus: 16 Teilnehmer, K.o.-System mit zwei klassischen Partien pro Tag und Tiebreak/Armageddon im Fall eines Unentschiedens. Das WR Chess Masters 2024 wurde live von ChessBase India begleitet. Außerdem führte der deutsche Bundestrainer Jan Gustafsson die Zuschauer durch die Partien.
Die klassischen Partien wurden mit 60 Minuten für die ersten 30 Züge, 30 Minuten für die nächsten 20 Züge und 30 Minuten für den Rest der Partie gespielt, eine innovative Zeitkontrolle, die es so noch nie gegeben hatte. Laut Wadim Rosenstein sind schnelle klassische Zeitkontrollen die Zukunft im Wettkampfschach.
Arjun Erigaisi marschierte ungeschlagen durch den Wettbewerb. Zum Auftakt setzte er sich gegen die englische Ausnahmebegabung Bodhana Sivanandan durch. Danach bestätigte der Weltranglistenvierte mit Siegen gegen seine Co-Nationalspieler Vidit und Praggnanandhaa die aktuelle Hackordnung im indischen Schach.
Auch Maxime Vachier-Lagrave musste sich gegen mehrere Vertreter der Elite des Denksports durchsetzen, bevor er das Finale gegen Erigaisi erreichte. Nach dem Auftaktsieg über den usbekischen Großmeister Javokhir Sindarov traf er auf dessen Landsmann Nodirbek Abudsattorov, Nummer sechs der Welt. Im Halbfinale schließlich besiegte Vachier-Lagrave auf seinen französischen Landsmann Alireza Firouzja, Nummer acht der Welt.
Das Finale begannen die beiden Kontrahenten vorsichtig. In einer ereignisarmen Auftaktpartie einigten sie sich nach 30 Zügen auf remis. Die zweite Partie war wild. Erigaisi und “MVL”, wie er in der Schachszene genannt wird, gingen mit heruntergeklapptem Visier aufeinander los. Das Ergebnis war dasselbe wie in der ersten Partie: remis.
Im entscheidenden Armageddon begann Erigaisi mit 6.38 Minuten auf der Uhr, den schwarzen Steinen – und der Gewissheit, dass ihm ein Remis zum Turniersieg reichen würde. Aus einer russischen Eröffnung heraus spitzte sich das Geschehen schnell zu. Trotz des Zeitnachteils behielt Arjun die Nerven und nutzte die Fehler seines Gegners geschickt aus. Ein entscheidender Moment war Vachier-Lagraves missratener 68. Zug, der ihn letztlich die Partie kostete.
Erfolg auf er ganzen Linie also für Erigaisi? Nicht ganz. Seit Wochen ist die indische Nummer eins drauf und dran, als 16. Spieler der Schachgeschichte die 2800-Elo-Marke zu überschreiten, aber bislang ist er stets knapp daruntergeblieben. Nach dem Erfolg in London fehlt Erigaisi ein Sieg gegen einen starken Großmeister, um die 2800-Hürde zu nehmen.